4.12.2008

Chuzpe sächsisch *

Als die "Sächsische Zeitung" Dresden vor ein paar Jahren ein neues Redaktionssystem einführte, kaufte sie unter anderem neue Arbeitsplatzrechner für alle Redakteure. Gemäß Murphies Law kam es, wie es kommen musste. Das selbstlernende Korrekturprogramm im CMS war noch recht jungfräulich, wenn es um regionale Begriffe oder Namen ging. Mit dem Namen Milbradt beispielsweise konnte es nichts anfangen. Der war damals Finanzminister in Sachsen, Leitwolf und Stichwortgeber, wenn es um die Sachsen LB ging. In einem Innenseiten-Aufmacher ging es eben um Milbradt. Der zuständige Redakteur musste wohl eine schwache Stunde erwischt oder unter dem üblich hohem Zeitdruck gearbeitet haben. Er jagte das Korrekturprogramm über seine Arbeit, das - wie gesagt - Milbradt nicht kannte, dafür aber den Begriff "Milzbrand". Und so stand eben dann der Beitrag in der Ausgabe des nächsten Tages: "Finanzminister Milzbrand ist der Auffassung, . dazu sagte Georg Milzbrand . ." Warum ich jetzt drauf komme? Hätte man in Sachsen seinerzeit diesen Milzbrand so behandelt, wie man eben einen Milzbrand behandelt, dann wäre den Sachsen viel erspart geblieben. Beispielsweise, dass nach dem Rabatt-Fechter-Ministerpräsidenten "König Kurt" Biedenkopf erneut einer an die Tröte der Macht kommt, der auch wieder nur eine Spur der moralischen Verwüstung hinterlässt - Milzbrand, äh Milbradt eben.
Wie nun durchsickert, hat Milbradt zu seiner Zeit als Finanzminister ein privates Fondsgeschäft (Bau der sächsischen Landesbank in Leipzig) zum Teil mit einem Kredit der Landesbank finanziert. Das Pikante: Milbradt selbst war Chef des Kreditausschusses und hat damit rein formal seinen eigenen Kredit genehmigt. Und: "Dem „Spiegel“ zufolge beteiligte sich Milbradt mit rund 50.000 Euro an dem geschlossenen Immobilienfonds, mit dem im Jahre 1996 der 88 Millionen Euro teure Neubau der Landesbank in Leipzig finanziert wurde. Eine Mietgarantie habe die im Fondsprospekt mit 9,3 Prozent angegebene Rendite gesichert", schreibt die "Welt" . Und es kommt noch besser: Angelika Meeth-Milbradt, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und Ehefrau, hat Dank ihrer guten, weil familiären Beziehungen zur Sachsen LB auch noch zugelangt. "Auch seine Frau bekam Darlehen der Landesbank", um es in (Airbus-)Aktien anzulegen. "Insgesamt erhielten die Milbradts in den neunziger Jahren mehr als 170 000 Euro von der SachsenLB.
Unisono heisst es zu all dem aus der Sachsen-CDU: Alles legal, alles normal! Stimmt, wenn man ein Bundesland als ganz persönliches, allzeit frei verfügbares Fürstentum betrachtet, als Selbstbedienungsladen mit hoher Renditekraft, dann werden aus privaten Insidergeschäften schnell normale Bankgeschäfte, dann ist alles höchst normal, ein gesellschaftspolitischer Milzbrand eben.

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Chuzpe [xʊtspə] (aus dem jiddischen חוצפה [chùtzpe] von hebräisch חצפה [chuzpà] für „Frechheit, Dreistigkeit, Unverschämtheit“ entlehnt) ist eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit.

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