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3.17.2007
Das Kreuz mit dem Hakenkreuz
Wer seine Haltung zu den Neonazis in Deutschland deutlich demonstrieren wollte, der ann sich beispielsweise einen passenden Button zulegen und an sein Hemd, seine Jacke tackern. Ich hatte und habe auch einen. Darauf ist eine Hand zu sehen, die gerade ein Hakenkreuz in einen Abfallkorb wirft, dorthin, wo es also hingehört.
Beinahe - zumindest wenn es nach einem scheinbar etwas verwirrten baden-württembergischen Amtsrichter gegangen wäre - wäre dieser dingliche Protest beinahe zu einer Straftat verkommen. Denn besagter Amtsrichter sinnierte gerade über jenen Button und kam zu dem Schluss, der Betrachter könne nicht klar unterscheiden, ob das Hakenkreuz in den Papierkorb hinein getan oder heraus genommen werde. Auch verdonnerte er ein dick und rot durchgestrichenes Hakenkreuz als verfassungsfeindliches Symbol. Demnach beginge der Käufer oder Träger eines wiederum solchen Buttons eine Straftat gegen die Verfassung, die seiner Ansicht nach verfolgt werden müsse.
Nun ja, nun wurde dieser Amtsrichter vom BGH korrigiert. Das Tragen (vorher also auch der Verkauf) eindeutig antifaschistischer Symbole sei nicht verfassungswidrig und damit auch nicht strafbar.
Gut ist das auch beispielsweise für das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen. Das vertreibt nämlich per Download Broschüren, in dem es echte verfassungsfeindliche Symbole aus der Nazizeit zeigt (übrigens natürlich rot durchkreuzt), die heute nicht selten von Rechtsextremisten und Neonazis verwendet werden. Wäre es beim Amtsrichter-Urteil geblieben, hätte der b.-w. Amtsrichter zumindest Anzeige gegen die sächsischen Verfassungsschützer stellen müssen. Das wär eine Gaudi geworden!
Und nun noch ein Nachtrag zum Thema: Gestern hatte ich Besuch von einem alten Freund. Zehn Jahre mindestens hatte ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Er erzählte mir, dass sein Sohn ab und zu eine Pokerparty gebe. Natürlich werde dabei auch mehr oder weniger heftig getrunken. Das letzte Mal hätten die "Jungs" sich im Halbkreis aufgestellt und die Arme kollektiv zum Hitlergruss erhoben. Einer der Jungs hätte davon ein Foto gemacht, dass sie dann per mail an einem 12-Ender-Kumpel bei der Bundeswehr geschickt hätten. Der habe sich über den Gruß aus der Heimat mächtig gefreut. Herr Amtsrichter, übernehmen Sie!
3.15.2007
Schach dem Untergang
Text zum Bild: Trainingsabend beim SV „Ziphona“ Zittau. Am mittleren Brett vor den weissen Figuren der 81-jährige Sektionsleiter Schach, Werner Kießling.
In der Provinz tickt manche Uhr anders als beisielsweise in den Landeshauptstädten. Die "Sächsiche Zeitung" aus Dresden vermeldet: „Das Ramada Hotel Dresden ist wieder in der Hand der Schach-Senioren. Alljährlich tragen sie ihre Team-Europameisterschaft aus. Turnierdirektor Dr. Dirk Jordan und seine Mitstreiter erwarten 52 Mannschaften – das ist Rekord. „In dem Turnier ist richtig Pfeffer drin“, sagte der Chef der Schacholympiade 2008 in Dresden“.
Die Schachspieler vom Schachsportverein "Ziphona Zittau", des letzten Zittauer Schachvereins überhaupt, treiben ganz andere Dinge um und vom "Ramada" können Sie allenfalls träumen. Ihr Sportdomiziel ist das Sport- und Freizeitzentrum (SFZ) an der Zittauer Schrammstrasse und ganz gewiss ist es nicht in ihrer Hand. Die Schachspieler teilen sich auch an diesem Übungs-Abend das SFZ mit den Gästen einer Geburtstagsfeier, in einem anderen Raum amüsieren sich die Teilnehmer eines Club-Abends. Die Spieler vom „SV Ziphona“ schieben davon augenscheinlich unberührt mehrere Tische in eine Reihe, holen ihre Bretter und Figuren. Ein paar Minuten später sitzen sie sich paarweise gegenüber: „Weiss zieht“.
Mir gegenüber sitzt Werner Kießling. Er ist der Sektionsleiter Schach beim „SV Ziphona“ und 81 Jahre alt.
Schach spielt Kießling seit 55 Jahren, war von Anfang an im selben Verein, der 1952 gegründet wurde und „Motor Mitte Zittau“ hieß, später dann „Ziphona“ hieß. Sektionsleiter Schach ist Kießling auch schon seit 1961, 20 Jahre hat er den Nachwuchs betreut.
„Derzeit ist unser jüngster Spieler 31 Jahre jung“, erzählt der Sektionsleiter und macht damit auf ein Überlebensproblem für seinen Verein aufmerksam. Es fehlt der Nachwuchs. Schach gespielt wird von jungen Leuten heute vor allem in eigenen Schulmannschaften. Wer nicht mehr Schüler ist, geht gleich in einen Schach-Sportverein, der höherklassiger spielt, beispielsweise zum TSV Großschönau. Die Chancen, sportlich schneller voran zu kommen, die sind dort einfach besser. Das dachten sich vor zwei Jahren wohl auch die Spieler einer anderen erfolgreichen Männermannschaft vom „SV Ziphona“. Sie kehrten ihrem Verein den Rücken.
„Heute haben wir noch eine Vierer-Männermannschaft, die in der Kreisklasse spielt und momentan sogar auf einem vorderen Platz“, sagt Werner Kießling. Sie seien sich aber nicht sicher, ob sie sich den Aufstieg wünschen sollten. „Für die nächst höhere Spielklasse haben wir weder die finanziellen noch die personellen Reserven“, skizziert Kießling die augenblickliche Lage. Was er damit meint, wird klar, wenn man sich die Altersstruktur des Vereins ansieht. Von den 16 aktiven Spielern sind zwölf älter als 60 und davon die meisten zwischen 70 und 80 Jahren. Stiegen die Männer von „Ziphona“ tatsächlich auf, begännen die Probleme erst. „Die Spielorte lägen weiter weg und wären für uns schwerer zu erreichen. Nicht jeder von uns fährt Auto und der öffentliche Nahverkehr bringt uns auch nicht viel weiter. Wir haben pro Vereinsmitglied 15 Euro zur Verfügung. Wie viel mal könnten wir damit Bus oder Bahn fahren?“
Angesichts all dieser wenig beglückenden Umstände ist die spür- und sichtbare Unverdrossenheit, mit der die Männer vom „SV Ziphona“ an ihrem Verein festhalten verblüffend. Sie trainieren jeden Montag im SFZ, um die eigene Spielfähigkeit und die der aktiven Mannschaft auf der Höhe der Anforderungen zu halten. Oder sie organisieren – meist um Weihnachten herum – Preisturniere im Blitzschach, zu denen sie sich Gastmannschaften und Einzelspieler einladen. Mit manchem reden sie dann auch: „Spiel mit bei uns“. Und manchmal trägt genau das Früchte. So etwa wie bei Wolfram Rolle, dem mit 31 Jahren derzeit jüngsten Spieler.
Mit mir haben Sie auch geredet. Ich aber habe vom Schachspiel soviel Ahnung wie ein Wildschwein vom Stabhochsprung.
Also reden wir zum Schluss übers Wünschen. „Na ja“, sagt Werner Kießling, „wir wissen, dass viele Schachfreunde nur in der Familie, manche auch nur Fernschach spielen oder neuerdings auch gegen ein Computerprogramm. Wir wünschten uns, dass diese Schachfreunde zu uns kämen. Und wir wünschten uns, dass vielleicht auch wieder ein paar junge Leute bei uns anklopfen“.
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