8.08.2008

Muss man Deutschland von Olympia ausschließen?

Burkhard Schröder befasst sich heute auf "telepolis" mit dem Thema "Die Kunst des Zensurvergleichs". Ausgangspunkt für seinen Beitrag war die Äußerung Michael Vespers, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, zum Thema Internetzensur in China in einem ARD-Morgenmagazin-Beitrag. Vespers Bemerkung lautete: "In jedem Land der Welt, auch in der Bundesrepublik Deutschland, werden Internet-Seiten gesperrt. Bei uns sind es rechtradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich, das ist auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden. Es muss aber der freie Zugang zu allen wichtigen Informationen, die Journalisten brauchen, um ihre Arbeit zu tun, muss gewährleistet sein". Und nun schreien alle Rechtskonservativen und "Ordnungs"politiker mal wieder Zeter und Mordio.
War da aber nicht noch was? Haben insbesondere deutsche Medien sich in den vergangenen vier Wochen nicht mit Feuereifer mit der eher theoretischen Frage beschäftigt, ob man China nicht doch noch die Olympischen Spiele entziehen könnte oder ob es wegen der dort herrschenden Zensur nicht wenigstens ein Fehler war, sie nach dort zu vergeben. Aus dem gleichen Grunde könnte man natürlich auch darüber diskutieren, ob Deutschland noch immer - wegen der Behinderung der Meinungsfreiheit - reif ist für die Bewerbung künftiger sportlicher Großereignisse.
"Die 1948 verabschiedete UN-Menschenrechtscharta statuiert als Vorgabe des internationalen Völkerrechts: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“, dies schließt die Freiheit ein, „über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Die UN-Charta schränkt diese Freiheit allerdings ein, soweit dadurch die Rechte anderer oder „der Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit“ verletzt würden. Dass die Ausübung von Freiheitsrechten nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte anderer eingreifen dürfe (zum Beispiel durch „freien“ Rufmord) und der Staat auch der Meinungsfreiheit durch „allgemeine Gesetze“ beispielsweise „zum Schutze der Jugend“ Schranken setzen darf, steht wiederum im Artikel 5 des Grundgesetzes und ergibt sich aus dem weiteren Verfassungsrecht". Tagesspiegel vom 8. August 2008

Da meldet beispielsweise die "Zeit" am 04.08.2008:
Peking−Korrespondent ausgewechselt
Der Journalist Dieter Hennig wird nicht mehr für den Sport−Informationsdienst berichten. Seine Meldungen waren zuletzt auffällig chinafreundlich.

Da wäre zunächst die Frage, was chinafreundlich ist? Und, ob "Chinafreundlichkeit" ein Verstoß gegen die UN-Charta darstellt. Oder ob die chinafreundlichen Äußerungen (sofern die Äußerungen Hennigs das überhaupt waren) nicht letztendlich gedeckt sind von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung - wie bei Michael Vesper auch. Natürlich sperrt man in Deutschland Vesper oder Hennig nicht ein wegen ihrer abweichenden Meinung. Man entzieht bloß mal en passant den Deliquenten (bei Vesper müssen wir das noch abwarten) die gewohnten Lebensgrundlagen. Besieht man sich in dieser Beziehung die Entwicklung in Deutschland rückwärts, entdeckt man auf dem blanken deutschen Schild der Meinungsfreiheit immer mehr "Fliegenschisse". Da wäre beispielsweise noch der Fall Ullrich Tilgner. Ulrich Tilgner hatte Anfang 2008 für Aufregung gesorgt, als er ankündigte, nicht mehr als Korrespondent für das ZDF arbeiten zu wollen. Dort sei er nur noch für "journalistische Folklore" zuständig gewesen und die Redaktion zu Hause habe (vorzensorischen?) Druck ausgeübt, wie Geschichten aussehen müssten. Wäre Tilgner nicht selbst gegangen, wäre ihm vermutlich das Schicksal Hennigs nicht erspart geblieben. Über kurz oder lang hätte man ihm möglichwerweise "Nahostfreundlichkeit" vorgeworfen.
Den Tilgnerschen Vorwürfen gegen seinen Arbeitgeber haben sich in der Folgezeit andere prominente Korrespondeten angeschlossen. Alexander von Sobeck beispielsweise, der das ZDF-Büro in Paris leitete, will erkannt haben, dass das ZDF "immer stärker mit der privaten Konkurrenz mitschwimme". Balkan-Korrespondent Prömpers wähnt sich inzwischen schon bei der "'Bild'-Zeitung des Fernsehens" und verweist auf darauf, schon Anweisungen wie diese erhalten zu haben: "Mach mal was über die Wahl in Bulgarien - aber ohne die Politiker. Die kennt ja sowieso kein Mensch." ARD-Sonderkorrespondent Thomas Marowski sagte, er müsse inzwischen häufig mit Redakteuren diskutieren, wie die Wirklichkeit sei". Die Redaktion würden ihm dann anderslautende Meldungen entgegenhalten. Das nehme inzwischen "erschreckende Ausmaße" an.
Geht man noch ein paar Jahre zurück, gibt es gleich mehrere andere deutliche Beispiele für die Unterbindung der Meinungfreiheit mit dem Mittel des "Liebesentzuges". Autoren wie Matthias Brökers, Gerhard Wisnewski und Andreas v. Bülow. Sie haben sich intensiv mit den Ereignissen um den 11. September 2001 beschäftigt und die offizielle Darstellung der Ereignisse durch die Bush-Administration in Zweifel gezogen. Das Ergebnis: Sie wurden aus ihren Anstellungsverhältnissen entfernt, danach als "Verschwörungstheoretiker" und Spinner herabgewürdigt und beruflich ins Abseits gedrängt.
Sollte sich Deutschland also wirklich für ein kommendes sportliches Großereignis bewerben?