4.27.2012

"So gerne als breit" - bissel Beamtendeutsch u.a.

Hieße ich Ellis, könnte ich mich auch "Ellis im Wunderland" nennen, denn ich lebe in Sachsen. Und Sachsen ist ein Wunderland. Wo heißt ein Innenminister schon "Ulkig", ein Finanzminister "Unland", eine Ministerin für Wissenschaft schon "Freifrau Sabine" oder ein Minister für Wirtschaft, Arbeit und Transport "Mor.Lok". Ein anderes Beispiel für die These vom Wunderland Sachsen konnte ich heute in meinem Leib- und Magenblatt "Sächsische Zeitung" lesen. "Sachsen sichtet Tausende Lehrerbewerbungen". 10.000, 20.- oder 30.000 Bewerbungen? Nein, 2.000 Bewerbungen liegen vor. Hätte man auch so genau schreiben können. Aber "Tausende" klingt besser, weil gewaltiger. 650 Lehrer sollen noch 2012 in den Schuldienst berufen werden, weil "die sächsische Bildungshütte" - sprich Schule - brennt. Es gibt einen eklatanten Lehrermangel mit all seinen Folgen. Aha, denkt man, hat die Regierung was draus gelernt! Mitnichten. Die Umstrukturierungen, Zusammenlegungen und Schulschließereien gehen im Wunderland Sachsen und damit hinter dem Rücken der "SZ"-Lesenden munter weiter. Und damit komme ich auf den Grund meiner Erheiterung zu sprechen oder zu schreiben. Der Beitrag in der "SZ" entstammt der Tastatur einer angesehenen Kollegin, die mit dem Direktor der Bildungsakademie Sachsen, Bela Belafi, gesprochen hat. Irritiert haben mich im Beitrag immer wieder Textpassagen, die als Zitat, also als wörtliche Rede, gekennzeichnet waren. Kostprobe? Bitte: Die Gespräche würden zügig geführt, um "so schell als möglich" Vertragsangebote unterbreiten zu können. "Belafi, setzen, Vier!" Vom nächsten drohendem Unglück sollte sich insbesondere Innenminister Ulkig angesprochen fühlen. Denn Belafi führt aus: Er sei optimistisch, dass das gelänge "ohne dass es zu einem Ganztags-Einbruch an den Schulen kommt" Na ja. Vielleicht heißt der Mann gar nicht Belafi, sondern Belafonte (zum bsp.) und Belafi ist einfach einfacher. Oder so!

4.25.2012

Wie bedroht ist die griechische Demokratie?

Am 21. April 1967 übernahm nach einem Putsch das Militär die Macht in Griechenland. Panzereinheiten besetzten wichtige Punkte, es begannen Massenverhaftungen regimefeindlicher Politiker und Gewerkschafter, eine Pressezensur wurde verhängt und Internierungslager auf den Inseln Jargos und Gyáros eingerichtet. Vorher hatte König Konstantin II. den angedrohten Rücktritt des gegen die Monarchie gerichteten Ministerpräsidenten Georgios Papandreou angenommen, um dessen Wahlsieg bei bevorstehenden Neuwahlen zu verhindern. Nach einem gescheiterten Gegenputsch des Königs floh Konstantin II. im Dezember 1967 nach Rom ins Exil. Die Militärdiktatuer endete erst im Juli 1974. Die Frage, die mich umtreibt ist, ob sich bei einer weiteren Verschärfung der sozialen Krise die gesellschaftlicen Verhältnisse explodieren könnten und zu deren Bewältigung ein Militärputsch möglich erscheint? Am 30. Juli 2011 berichtet der griechisch-deusche Journalist Wassilis Aswestopoulos auf unter der Überschrift "Droht Griechenland eine Militärdiktatur?" folgendes: Offiziersvereinigung droht, "keine Verletzung der Verfassung zu dulden, die nicht der Verteidigung unserer nationalen Hoheitsrechte dient" - "In letzter Zeit registriere ich sehr gefährliche Aktivitäten der außer Dienst stehenden Offiziere", sagte kurz vor dem Vertrauensvotum im griechischen Parlament der neue Verteidigungsminister Panos Beglitis. Er zitierte aus dem Schriftverkehr der Offiziersvereinigungen an im Dienst stehende Militärs. "Wir müssen bereit sein, diese Regierung abuwehren", fordern die pensionierten Offiziere von ihren aktiven Kameraden. Beglitis beschuldigte die konservative Nea Dimokratia offen und sagte: "Wir müssen die Nabelschnur zwischen den Militärvereinigungen und der Nea Dimokratia zerschneiden." Bereits zehn Tage zuvor meinte Vizepremier Thodoros Pangalos: "Wir erleben Tage wie 1965." Ich erinnere mich auch an eine Meldung in der "Griechenand-Zeitung" (Athen) von Anfang November 2011. Im Wirbel um die Papandreou-Ankündigung ein Referendums über Griechenlands Verbleib in der Euro-Zone abhalten zu wollen, platzte eine weitere politische Bombe in Athen: Die Regierung gab bekannt, dass sie die komplette Führung des Militärs abgelöst hatte. Der Generalstabschef sowie die Kommandeure der Landstreitkräfte, der Marine und der Luftwaffe wurden durch Offiziere ersetzt, die nach Meinung von Kommentatoren loyal zur Regierungspartei Pasok stünden. Es bestehe Putschgefahr. Ob es tatsächlich solche Pläne in der Miltärführung gegeben hat, ist nicht klar. Es könnte auch nur sein, dass Andreas Papandreou einfach alle die führenden Offiziere loswerden wollte, weil sie 2009 noch von der Nea-Demokratia-Regierung eingesetzt worden waren. Die Frage bleibt also offen, Putschversuche werden allgemein nicht angekündigt. Die Gefahr steigt aber mit der Zuspitzung der Krise und der wachsenden Verelendung.

4.23.2012

Griechenland zerfällt

Ist es nicht merkwürdig still um Griechenland? Ist die Krise "abgehakt", alles wieder in Butter? Mitnichten! Die EU verlangt von Griechenland, den Gürtel noch enger zu schnallen. Schließlich habe man bisher "Hilfen" - also Kredite und durch den Schuldenschnitt - im Gesamtwert von 380 Miliarden Euro gewährt (pro Kopf 33.600 €). Deshalb müsse Griechenland weiter sparen, meint Kommissionspräsident Barroso. Er fordert von Griechenland als nächstes im Privatsektor die Löhne um 15 Prozent zu senken. Und er fordert weiter die zügige Privatisierung des gesamten öffentlichen Sektors. Kurz und knapp, den Ausverkauf des Landes. "Deutlicher als bisher spricht (neuerdings) die EU-Kommission von den sozialen Härten, die den Griechen durch die vielen Sparprogramme bereits auferlegt wurden: von der besorgniserregend hohen Jugendarbeitslosigkeit, von 60.000 Firmenzusammenbrüchen, die allein für 2012 noch erwartet werden mit einem Verlust von 240.000 Arbeitsplätzen.", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Fakt ist, Griechenland soll nach dem Willen der Troika bis zum Jahr 2030 rund 24 Mrd. Euro im öffentlichen Sektor einsparen. Welche Folgen das haben wird ist noch nicht absehbar oder doch. Nehmen wir das Beispiel des neuen einheitlichen Trägers des Gesundheitssystems, EOPPY, in die alle bisherigen Versorger und zum Teil hochverschuldeten Kassen eingegliedert worden sind. Die Gesamtschulden – einschließlich der Schulden der eingegliederten Kassen – übersteigen 2 Mrd. Euro. Davon sind ungefähr 270 Mio. Euro Schulden bei Apotheken des ganzen Landes, 363 Mio. Euro bei Pharma-Unternehmen des Landes, 800 Mio. Euro bei Privatkliniken und der Rest fehlt Ärzten und Krankenhäusern. Die “Netto-Schulden” des EOPYY, also seine unbeglichenen Verbindlichkeiten seit dem 01. Januar 2012, werden auf knapp 500 Mio. Euro veranschlagt. Es gibt derzeit noch mindestens zwei Kassen, die noch nicht eingegliedert und ebenfalls hochverschuldet sind. Kommen die noch zu EOPPY hinzu, wird sich die Verschuldungs-Problematik weiter verschärfen. Der vom Staat gebilligte Jahres-Etat der EOPPY liegt bei gerademal 260 Millionen Euro. Und so ist nur eine Lösung denkbar: Das Niveau der Gesundheitsversorgung im Lande muss schrittweise gegen Null gefahren werden. Doch kann das gutgehen? Kommt es zu den (oben) erwarteten 60.000 Firmenzusammenbrüchen und dem Verlust weiterer 240.000 Arbeitsplätze wird sich die soziale Lage im Lande weiter verschärfen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt heute bereits bei über 50 Prozent, die Arbeitslosigkeit allgemein bei über 21 Prozent. Die griechische Bevölkerung kennt ihre Perspektive und die heißt Verelendung. Die Wirtschaftsuniversität Athen hat im Vormonat 1.679 Personen befragt. Ergebnisse: 77,4 Prozent schätzen ihre persönlich wirtschaftliche Lage als sehr schlecht ein, 7,4 Prozent meinen von der Krise nicht berührt zu sein. Sieben von zehn Griechen (68%) befürchten, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in den kommenden drei Monaten weiter verschlechtern wird. Sieben von zehn Griechen befürchten, dass ihr Einkommen bald nicht mehr die Lebenshaltuugskosten decken könnten. Nur 2,6% der Befragten gaben an, Geld ansparen zu können. Allgemein verlieren die Griechen ihren Optimismus. Der Zuversichtlichkeitsindex (Höchstwert 100 Punkte) liegt derzeit bei 23 Punkten. Dieser Pessimismus schlägt sich nieder in der Sicht der Bürger auf die politische Klasse. Acht von zehn Bürgern vertrauen der Regierung nicht mehr. Der Pessimismus macht nicht einmal einen Bogen um die sogenannte Opposition. Der Nea Demokratia (ND), die sich als Alternative zur derzeitigen Regierung anpreist, vertrauen acht von zehn Befragten nicht. Dem Parteivorsitzenden Antonis Samaras glauben 67,3 Prozent der Befragten wenig oder gar nicht. Der Index des politischen Vertrauens (100 Punkte) liegt heute bei gerade 18 Punkte. Selbst die eigentlichen Vertreterm der Arbeitnehmer, die Gewerkschaften, kommen nicht ungeschoren davon. 61,3 % vertrauen den Gewerkschaften nur noch wenig oder gar nicht. Das finanzwirtschaftliche System steht ebenfalls nicht mehr hoch im Ansehen. 84 Prozent der griechische Bürger mißtrauen der Börse, sechs von zehn Befragten nicht den Banken und sieben von zehn nicht den privaten Versicherungsgesellschaften. Es brodelt in der griechischen Gesellschaft! Und dafür gibt es weitere Gründe. Laut der griechischen Tageszeitung “Ta Nea” nahmen in Griechenland der Wirtschaftskrise 2011 die Selbstmorde im Vergleich zum Vorjahr 2010 um 45% zu. 2011 haben schätzungsweise mehr als 450 Griechen ihrem Leben ein Ende gesetzt, während es über 600 Selbstmordversuche gab. In der überwältigenden Mehrzahl der Fälle wurden durch die Krise hervorgerufene Gründe angegeben. Erinnert sei hier nur an den symbolhaften Selbstmord eines griechischen Rentners, der sich auf dem Athener Syntagma-Platz öffentlich erschoss. Die griechische Polizei (ELAS registrierte von Anfang 2009 bis Dezember 2011 insgesamt 1.730 Selbstmordversuche, während die größte Zunahme der vollendeten oder versuchten Suizide in den Verwaltungskreisen Thessaloniki, Thessalien und Nord-Ägäis beobachtet wurde. 2009 erfolgten in Thessaloniki 55 versuchte oder vollendete Selbstmordakte, im nächsten Jahr 98 und weitere 97 im Jahr 2011. In Thessalien erfolgten 2009 entsprechend 32 versuchte oder vollendete Suizide, 56 wurden 2010 und 46 im Jahr 2011 verzeichnet, während sie der Nordägäis haben sich die Suizide zwischen 2009 und 2010 verdoppelt. In Attika erfolgten 2009 insgesamt 158 versuchte oder vollendete Selbstmorde, 2010 nahmen sie um 20 zu und erreichten 178 und stiegen 2011 um weitere 20 auf 198 Fälle an. Es ist eine Tragödie. Nicht weniger tragisch ist ein anderes krisenbedingtes Phänomen. Nahezu explosionsartig entwickelt sich in Griechenland die Prostitution. Nach Angaben des ist die Prostitution allein in Athen und seit Ausbruch der Krise um über 1.500(!) Prozent gestiegen, die Zahl der Bordelle von 1 auf 700, von denen nur ein einziges eine Genehmigung hat. Dieser exorbitante Anstieg der Prostitution sei insofern dramatisch, dass mit ihr die Zahlen der Erkrankungen durch Aids, Syphilis, Gonorhoe und weitere übertragbare ansteckenden Krankheiten ebenso explodiert sind. Der Staat und die Gesellschaft stehen dieser Entwicklung relativ hilflos gegenüber.