11.22.2006

Schöne bunte Welt voll Irren

Es haut einem fast um, ständig passieren spannende, anrührende oder auch aufregende Dinge. In den USA beispielsweise. Dort gib es jetzt keine Hungernden mehr. Solche Menschen heissen jetzt regierungsamtlich Menschen mit "sehr geringer Nahrungssicherheit" ("very low food security").
Am vergangenen Wochenende wurden, so meldet der österreichische "Kurier", hektische Verhandlungen zum EU-Beitritt mit der Türkei geführt. Die Türkei lenke im Zypernstreit nicht ein, und damit würden die Beitrittsverhandlungen zur EU teilweise ausgesetzt, meldet der Kurier. Wie berichtet forderte die EU von der Türkei die Einhaltung des „Ankara-Protokolls“, das die Öffnung der türkischen Luft- und Seehäfen für zypriotische Flugzeuge und Schiffe vorsieht. Die Türkei machte dies wiederum von einem Ende der Isolation des türkischen Sektors der Insel abhängig, was aber an Fragen der internationalen Anerkennung des Nordteils scheitere. Was dazu hat auch Kanzlerin Merkel gesagt?
Merkel sagte, der jüngste Fortschrittsbericht der EU-Kommission zu diesen Verhandlungen sei "eher ein Rückschrittsbericht". Wenn die Türkei nicht Zypern akzeptiere, könne es kein einfaches "Weiter so" geben. Nach den Worten von Merkel ist die EU kein Christen-Club. Sie sei aber "ein Grundwerte-Club". Diese Grundwerte und Menschenrechte beruhten ganz wesentlich auf dem Christentum. Ach ja? Also doch ein Christenklub?
Und noch eine interessante Meldung: Fische kennen ein Alphabet und damit eine "Verständigungssprache". So bedeute ein fünffaches Maulöffnen kombiniert mit einem heftigen Wedeln mit der Schwanzflosse "Willste poppen?"
Angela Merkel dazu nicht im "Kurier". "Aaach ja. Mein Mann hat früher auch oft mit dem der Schwanzflosse ...".
Noch mal Angela Merkel. Sie hat bei der Wahl zum Parteivorsitz ein ZKgemäßes Ergebnis von 93 Prozent erzielt. Rüttgers dagegen, der ständig mit seinem sozialen Gewissen um sich rumwedelt (nicht mit der Schwanzflosse) hat gerade mal 57 Prozent erzielt. Nu iss er der Watschenmann in der CDU. Ha, das kommt davon.

11.21.2006

Emsdetten - Natürlich nur ein Einzelfall


Ein 18jähriger ist in Emsdetten ausgerastet, durch seine ehemalige Schule gezogen und hat auf Schüler und den Hausmeister geschossen. Getötet hat er niemanden, aber mehrere schwer verletzt. Dann soll er sich laut Polizeiberichten mit einer seiner vorsintflutlichen Waffen (siehe oben) selbst getötet haben. Beschrieben wird er von diversen Zeugen als introvertierter Junge mit einem ausgeprägten Hang zu Ballerspielen vom Typus "Counter Strike". Sein Berufswunsch - laut Schulkameraden - Soldat der Bundeswehr. Ein bedauernswerter Mensch.
Introvertiert? Hang zu Ballerspielen? Das deutet auf eine Selbstisolation hin und wird es wohl auch gewesen sein. In seinem Abschiedsbrief hatte er Rache angekündigt dafür, dass er beständig immer nur ausgenutzt worden sei.
Diese Erkenntnis, eingebildet oder wirklich, wäre wiederum ein Grund für die Selbstisolation. Das sehen andere wie immer anders. Professor Pfeiffer beispielsweise, Kriminalpsychologe aus welchen Grund auch immer. "Hinter Amokläufen wie dem in Emsdetten stehen nach Einschätzung des Kriminologen Christian Pfeiffer zumeist gescheiterte Existenzen. Irgendwann kompensierten diese Menschen dann ihre Ohnmacht durch einen Ausbruch von Machtgehabe", zitiert das "Handelsblatt" vom 21. November den Professor. Ein 18jähriger wird kurzerhand zu einer "gescheiterten Existenz" erklärt. Das sieht Pfeiffer ähnlich. Der Mann sollte einfach nicht ernst genommen werden mit seinen Kurzschüssen.
Wenn ein 18jähriger schon zu einer gescheiterten Existenz erklärt werden kann, wie ist das dann mit 15jährigen?
"Im Mordfall Jennifer hat der 15-jährige Angeklagte am Montag zum Prozessauftakt vor dem Chemnitzer Landgericht die Tat weitgehend gestanden. Der Schüler habe eingeräumt, sein 13 Jahre altes Opfer im vergangenen Mai in der Erzgebirgsstadt Annaberg-Bucholz geschlagen und anschließend gewürgt zu haben, sagte Gerichtssprecher Matthias Wolff nach der nichtöffentlichen Verhandlung. Prozessbeobachter schilderten das Verhalten des Angeklagten vor Gericht als "emotionslos". Er lasse die Fragen nicht an sich heran. Die Anklage wirft dem Jugendlichen vor, die 13 Jahre alte Jennifer am 20. Mai in ein Abrisshaus gelockt, mehrfach geschlagen und schließlich erwürgt zu haben. Auslöser soll ein Streit um einen MP3-Player gewesen sein", meldet das gleiche Blatt am selben Tag. Noch eine gescheiterte Existenz, bevor das Leben überhaupt richtig angefangen hat?
Und was ist mit dem Einzelfall der Frau Ministerin? Sehen wir uns mal eine Statistik an. Unter der Überschrift "Bedrohte Lehrer" zitiert der "Weisse Ring" in der Broschüre "Weisser Ring direkt" den Freiburger Medizin-Professor Joachim Bauer. Der hat im Rahmen einer Studie zu den Arbeitsbelastungen bei Lehrern herausgefunden, dass vier Prozent der befragten Lehrer in den vergangenen zwölf Monaten konkret mit Gewalt bedroht wurden, an Hauptschulen sogar 7,3 Prozent. Mit heftigen verbalen Angriffen waren 43 Prozent der Lehrer konfrontiert, an Hauptschulen mehr als 50 Prozent. Konkret Gewalt erlitten nach dieser Studie 1,4 Prozent aller Befragten, 2,1 Prozent an Hauptschulen.
Aus diesem Sumpf resultieren die "Einzelfälle" der Frau Sommer, beispielsweise die fünf Amokläufe seit Erfurt, seit dem 26. April 2002.
Die deutschen Schulen sind nach Einschätzung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) „längst ein Ort der Unsicherheit und Angst“ geworden. Ereignisse wie in Emsdetten könnten sich an jedem Tag wiederholen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, am Montag in Berlin. „Die Polizei wird diese Entwicklung nicht stoppen oder auch nur nennenswert aufhalten können, jedenfalls nicht mit den vorhandenen Möglichkeiten.“
Gewerkschaften und Pädagogen plädieren für den verstärkten Einsatz von Schulpsychologen um die Erziehungsdefizite der Elternhäuser halbwegs kurieren zu können. Aber damit sieht es in Deutschland sehr schlecht aus. In unserem Land kommt ein Psychologe auf 12500 Schüler, in Skandinavien und Russland ist das Verhältnis etwa 1:1000. Damit liegt die BRD im OECD-Vergleich auf vorletzter Stelle.
Mit dem nächsten Angriff einer "gescheiterten Existenz" können wir bald rechnen.