Am 28. Juni gab es auf dem Hain den II. 24-h-MountainBikeMarathon, ein von Radsportenthusiasten organisiertes Radsportfest. 200 Starter traten an, dutzende Betreuer und Organisatoren tummelten sich auf dem Hain und hunderte Besucher kamen, viele mit dem Auto. Was blieb am Sonntagabend davon? Ein bißchen nachschwingende Volksfeststimmung, bleibende Eindrücke von den pealritterlichen Leistungen und ein herrenloses Auto.
Wenige Schritte vom Wandergrenzübergang nach Tschechien steht seit einer Woche ein verlassenes Fahrzeug. Diie Faherin ist genau so lange unauffindbar.
Gegenüber der Einfahrt zur «Kammbaude» steht ein «Toyota». Er steht im Weg, wenn die Lieferfahrzeuge für die «Kammbaude» kommen. «Na ja», sagt Kammbauden-Wirt Knut Popken, «der ist vielleicht wandern und noch nicht zurück. Wird schon noch auftauchen». Am Montag steht das Auto immer noch. Einer der Mountainbiker ist Bundespolizist und kommt gerade vorbei. Der kümmert sich auf unseren Wunsch hin um das herrenlose Auto. «Es gehört einer Kathleen K. Aus Dresden. Das Auto ist nicht zur Fahndung ausgeschrieben, also nicht geklaut. Mehr wissen wir nicht».
Das gleiche Spiel am Dienstag. Es, das Auto, ist noch immer nicht zur Fahnung ausgeschrieben. Wir sehen uns das Fahrzeug genauer an. Es steht da, als ob die Besitzerin es nur mal schnell verlassen hätte. So, wie man ein Auto vielleicht verlässt, wenn man mal kurz auf Toilette muss. Vor dem Fahrersitz stehen ein paar hübsche Korksandalen. In der Ablage liegen gut sichtbar 35 Euro in Scheinen und einige Münzen, auf dem Beifahrersitz steht eine halbgeöffnete Sporttasche, daneben ein Beutel mit belegten Brötchen und ein Tetrapack Milch mit Schraubverschluss, der offen ist. Auf dem Rücksitz liegt eine braune Jacke. Der Fahrersitz ist schräg nach hinten geklappt, so als ob die Fahrerin vor dem Aussteigen darauf geschlafen hätte. Uns kommen Zweifel. Wir suchen in den Teilnehmerlisten des 24-h-MTB nach ihrem Namen. Sie ist nicht dabei.
Natürlich kann es trotzdem eine harmlose Erklärung geben. Dazu muss die Autobesitzerin nur unbedarft genug sein, ihr Auto tatsächlich nur für eine Wanderung da abgestellt zu haben, worauf die abgelegten Korksandlen deuten könnten..Hätte sie dann aber - es war Schittwetter auf dem Hain am Sonnabend/Sonntag - ihre Jacke nicht angezogen? Was ist, wenn alles ganz anders ist? Was, wenn die Frau tatsächlich wandert und ihr etwas zustieß? Wir ziehen alles mögliche in Betracht: vom Zuckerschock über einen möglichen Absturz von einem Felsen, auch Selbstmord und selbst ein Gewaltverbrechen.
Mittlerweile, erfahren wir, sind Dresdner Polizisten zur Wohnung der 39jährigen gefahren, haben sie aber nicht angetroffen. Punkt. Wir reden wieder mit der Polizei, auch mit der Landespolizei. Zur Antwort bekommen wir: «Das Auto ist nicht als gestohlen gemeldet, die Frau nicht als vermisst». Das ist am Mittwoch. Am Donnerstag taucht der Fall als widerrechtlich abgestelltes Fahrzeug (also Sache des lokalen Ordnungsamtes) erstmals im «Lagefilm» (Bericht über Vorkommnisse im Bereich der Polizeidirektion) auf. Andere Neuigkeiten gibt es nicht.
Wir machen das, was eigentlich die Polizei machen sollte, auf unsere Weise. Wir «googeln» nach Kathleen K. Es gibt zwei in Dresden. Wir rufen die erste an. Es meldet sich niemand. Die zweite Möglichkeit stellt sich als Nullnummer heraus. Die Frau fährt einen blauen Opel, ist aber auch nicht zu Hause., erfahren wir von ihrem Freund. Wir kommen nicht weiter und bei der Polizei verschiebt man die Geschichte von einem Zuständigkeitsbereich zum anderen. Darüber hätten wir gene mit Uwe Horbaschk gesprochen, dem Pressesprecher der Polizeidirektion. Der aber ist auch nicht erreichbar. Heute ist Sonnabend. Seit einer Woche steht hier ein herrenloses Auto. Von der Fahrerin fehlt jede Spur und uns die Gelassenheit der Polizei. Natürlich können wir uns irren. Dann sind wir vielleicht so was wie Deppen. Aber wir haben wenigstens versucht herauszufinden, warum und wohin ein Mensch verschwindet?