2.19.2008

Verlierer stehen fest: Kosova und Serben

Unter fortgesetztem Bruch des Völkerrechts haben die USA und die EU ihr Ziel erreicht: Die Lostrennung des Kosovo von Serbien. Die UN-Resolution 1244 verpflichtete mehrfach alle Staaten, "die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien" (später Serbien) zu beachten. Auch nach der UN-Charta ist eine Loslösung nur im Einverständnis beider beteiligter Seiten möglich. Als die Kosovo-Kontaktgruppe im November 2005 eine Grundsatzerklärung zur Zukunft der serbischen Provinz verabschiedete, hieß es auch darin, dass "die Regelung der Kosovo-Frage in voller Übereinstimmung mit den internationalen Standards der Menschenrechte, der Demokratie und des Völkerrechts erfolgen und zur regionalen Sicherheit beitragen" müsse. "Jede Lösung, die einseitig oder mit Einsatz von Gewalt herbeigeführt" werde, sei "unakzeptabel".
Nun hat die EU, geleitet von den Wünschen der Bush-Administration vollendete Tatsachen schaffen lassen. Der erste Verlierer ist Serbien, es verliert illegitimerweise einen beträchtlichen Teil seinen Staatsgebietes. Das Kosovo dagegen ist unabhängig. Doch ist das Kosovo auch frei und souverän? Nein! Das bestätigt Ulrich K. Preuß in seinem Aufsatz »Gordischer Knoten Kosovo« in der Januarausgabe von "Internationale Politik, der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP). »Die Befürworter einer schnellen und notfalls unilateral – an den UN vorbei – betriebenen Anerkennung eines unabhängigen Kosovo führen ins Feld, weiteres Zuwarten verfestige nur den ungewissen Schwebezustand und verhindere den dringend nötigen wirtschaftlichen Aufschwung. (...) Diese Erwartungen sind auf Sand gebaut. Zunächst bleibt die kosovarische Unabhängigkeit ›ein Status minderer Souveränität‹ Und es könnte noch schlimmer kommen. SWP-Analyst Dusan Reljic schreibt (gleiche Ausgabe) im Kapitel »Der Neokolonialismus der EU«: »Schon bisher haben Beamte und andere Abgesandte aus EU-Staaten zusammen mit Vertretern der USA den Kern der UNMIK gebildet. Trotzdem befindet sich die Provinz ökonomisch, politisch und sozial in einem desolaten Zustand, wie man zuletzt auch dem jüngsten EU-Fortschrittsbericht über Kosovo vom November 2007 entnehmen kann. Auch wenn die EU-Mission die Aufsicht in zentralen Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit in Kosovo übernehmen sollte, besteht für eine unabsehbare Zeit keine Aussicht darauf, daß sich zwischen Albanern und Serben konstruktive Beziehungen entwickeln könnten. Dazu kommt noch, daß ein von Rußland und anderen Staaten nicht anerkanntes Kosovo kein Mitglied in der UNO, OSZE und anderen internationalen Organisationen sein kann. Darüber hinaus stellt sich schon seit langem die grundsätzliche Frage, ob sich überhaupt vermeiden läßt, daß die internationale Verwaltung neokolonialen Verhaltensmustern anheimfällt. Das Mandat der EU-Mission beinhaltet die Entsendung von fast 2000 Staatsanwälten und Richtern, Polizisten und anderen Beamten aus EU-Ländern mit exekutiven Funktionen. Von einer Selbstbestimmung würde Kosovo unter der EU-Obhut, wie bisher unter der UN-Verwaltung, weit entfernt sein. Die Frustration der Kosovo-Albaner über die nach ihrer Überzeugung von den ›internationalen Kolonisatoren‹ vorenthaltene Selbstbestimmung kann unter diesen Prämissen nur zunehmen.« Und sie nimmt zu, jedenfalls, wenn man der Internetplattform "Kosova aktuell" glaubt. Unter der Überschrift "Die Unabhängigkeit als Betrugsveranstaltung schreibt die Internetzeitung: "Die Menschen in Prishtina werden wieder nüchtern. Der Rauschzustand muss tatsächlich verfliegen, denn das, was als „Unabhängigkeit“ verkauft wird, ist nichts anderes als organisierter Volksbetrug. Dazu einige Fakten und Überlegungen. 1. Kosovas Unabhängigkeit wurde von nicht legitimierten Politikern verkündet. Die Wahlbeteiligung lag anlässlich der Novemberwahl 2007 bei unter 40%. 2. Die Unabhängigkeit wurde auf der Basis des Athisaari-Planes bekannt gegeben. Dieser Plan teilt Kosova entlang ethnischer Linien. Das bosnische Muster lässt grüßen. Bosnien ist seit Jahren offiziell unabhängig, aber in der Realität dreigeteilt.3. In Kosova wird ein hoher Kommissar der EU (aus den Niederlanden) mit unbeschränkten Vollmachten regieren. Er kann jedes Gesetz ablehnen und jeden Politiker absetzen. 4. Die materielle Basis für die EU-Kolonie Kosova besteht in der sogenannten EULEX Mission. Knapp 2000 internationale Richter und Polizisten werden momentan nach Kosova eingeflogen. Tausende von NATO-Soldaten sichern das autoritäre Protektorat militärisch ab. Kosova erhält keine eigene Armee sowie kein Außen- und Verteidigungsministerium. 5. Kosova erhält keinen Sitz in internationalen Gremien und in der UN. 6. Die Anerkennung Kosovas durch die USA, Frankreich, Deutschland und durch andere Staaten, hat nur den Wert, dass diese Staaten sich selbst und ihre Interessen in Kosova und auf dem Balkan anerkennen. 7. Die UN Resolution 1244, die Kosova als Bestandteil Serbiens definiert, wurde nicht außer Kraft gesetzt. 8. Die Ökonomie des Landes steht weiter unter Kontrolle einer internationalen Privatisierungsagentur. 9. Kosova wurde eine künstlich konstruierte Fahne und Beethovens „Ode an die Freude“ aufgezwungen. . . Das klassische Werk Beethovens wird missbraucht, um die koloniale Mission EULEX musikalisch zu untermalen.10. Der Staat Kosova ist ein kolonial regiertes Gebilde, deren Bürgern vorgegaukelt wird, sie wären UNABHÄNGIG. Letzteres ist nichts anderes als organisierter Betrug, dabei assistieren den Kolonialisten diensteifrige lokale Politiker, die sich selbst in eine neue kapitalistische Klasse verwandeln möchten. Bis dato sind es es nur finanziell privilegierte Kollaborateure".
Wer aber - bei dem ganzen - sind die Gewinner? Die Tageszeitung "Junge Welt" schreibt dazu einen erhellenden Beitrag: "Um den Grund des westlichen Drängens auf die Eigenstaatlichkeit der Provinz zu finden, muß man nicht lange suchen: Bleibt das Kosovo bei Serbien, wird letztlich in Belgrad über den Verkauf von Bodenschätzen, Infrastruktur und ehemaligen Kombinaten entschieden. Zwar hat auch die UN-Übergangsverwaltung für Kosovo UNMIK entsprechende Verträge abgeschlossen. Deren Gültigkeit wird aber von der serbischen Regierung bestritten. Damit steht die Privatisierung unter einem rechtlichen Vorbehalt – nicht gerade eine Einladung für potentielle Käufer. Die serbische Regierung hat in den letzten Wochen deutlich gemacht, daß sie russischen Investoren den Vorzug gibt vor Bewerbern aus den NATO-Staaten. So ging die staatseigene Ölfirma NIS an Gazprom – und damit die gesamte Energieversorgung des Landes. Die Luftfahrtgesellschaft JAT soll, so hört man immer wieder in Belgrad, an Aeroflot verkauft werden. Die Schätze des Amselfeldes sind gewaltig. Die Braunkohlereserven des Kosovo gelten mit einem nachgewiesenen Umfang von 8,3 Milliarden Tonnen – mindestens dieselbe Menge wird zusätzlich vermutet – als die größten in Europa. Außerdem wird in der Trepca-Mine in der Nähe von Mitrovica Kupfer gefördert. Das Vorkommen ist so ergiebig, daß es im Zweiten Weltkrieg direkt der Wehrmacht unterstellt wurde (der Rest des Kosovo wurde Großalbanien zugeschlagen); in den achtziger Jahren waren 20 000 Arbeiter in Trepca beschäftigt. Last not least gibt es Hinweise auf nennenswerte Lagerstätten von Gold (ebenfalls in Trepca) und von Chrom (an der Grenze zu Albanien). Die meisten dieser Reichtümer waren von der jugoslawischen Teilrepublik Serbien erschlossen worden: Seit 1970 wurden mit umgerechnet 15 Milliarden Euro Steuergeldern Kombinate und Infrastruktur im Kosovo hochgezogen. Mit dem Steigen der Rohstoffpreise wurden die Vorkommen in den letzten Jahren immer wertvoller. In einer der größten Enteignungsaktionen der Geschichte wechselten einige der Filetstücke schon die Besitzer. Am 21. Januar 2005 hat die UNMIK die Bodenschätze in der Provinz erstmals für internationale Investoren ausgeschrieben. Durch die Vergabe von Abbaulizenzen rechnete die Okkupationsbehörde mit Einnahmen von 13 Milliarden Euro. Die lukrativen Verkäufe seien der »Zeugungsakt eines Staates«, jubelte die Presse in Pristina. Für die Privatisierung zuständig war von 2005 bis 2007 UNMIK-Abteilungsleiter Joachim Rücker, langjähriger Oberbürgermeister von Sindelfingen. Später wurde er Chef der UNMIK und ist es bis heute. Sein bisher größter Erfolg war der Verkauf des Nickelwerkes Ferronikeli. Dabei machte der Deutsche von seinen Eingriffsrechten rigoros Gebrauch: Eigentlich hatte die amerikanisch-albanische Firma Adi Nikel das frühere Kombinat für 50 Millionen Euro ersteigert. Aber Rücker kassierte den Abschluß und gab dem Zweitplazierten, der britischen Alferon von International Mineral Ressources, für 33 Millionen den Zuschlag. Der begründete Verdacht: Adi Nikel ist eine Briefkastenfirma der UCK-Mafia." (Junge Welt; 16. Februar 2008 "Schatzkammer Amselfeld")

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