10.24.2007

Wie konstruiert man Terroristen?

Der Bundesgerichtshof hat mit einer Pressemitteilung heute (24.10.) bekannt gegeben, dass der Haftbefehl gegen Andrej H., einen Berliner Stadtsoziologen, aufgehoben wurde. H. wurde von der Bundesanwaltschaft verdächtigt, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Und das kam so: Eine Gruppe, die sich "mg" (militante gruppe) nennt und im Verdacht steht, mehrere Brandanschläge unter anderem auf Bundeswehrfahrzeuge verübt zu haben, hat mit Bekennerschreiben die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Das BKA analysierte die Schreiben und stellte insgesamt neun Begriffe fest, die immer wieder in den Schreiben verwendet wurden. Im wesentlichen waren das die Begriffe "Prekarisierung", "Gentrifikation", "Reproduktion", "implodieren", "politische Praxis" und "marxistischleninistisch". Die Ermittler analysierten die Schreiben und suchte fieberhaft - ich vermutet, sie haben dazu gegoogelt - nach Übereinstimmungen in anderen Texten gesucht und sind dabei unter anderem auf Andrej H. gestoßen. Vor allem der Begriff "Gentrifikation", der die relative Verelendung von Wohnquartieren beschreibt, tauchte in Hs wissenschaftlichen Publikationen häufig auf. Daraus und aus der Tatsache, dass es wohl einen Kontakt Hs mit einem Mitglied der "mg" hatte, konstruierte die Bundesanwaltschaft den Vorwurf der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" und der intellektuellen Führerschaft der "mg". H wurde verhaftet.
Was können wir aus dem Skandal für Schlüsse ziehen? Zwei meine ich. Erstens, die Bundesanwaltschaft muss unter gewaltigen Druck der Politik stehen. Schließlich hat die (die Politik) in den vergangenen Jahren die bürgerlichen Grundrechte drastisch eingeschränkt. Nun braucht sie a) für die Scheinlegitimierung der bereits erfolgten Grundrechtseinschränkungen schnellstens ein paar echte Terroristen. Und sie braucht sie b) für den kommenden weiteren Abbau grundrechtlich garantierter Bürgerrechte.
Zweitens: Seien Sie vorsichtig mit Begriffen (wie oben) in selbstverfertigten Dokumenten (Mail, Worddateien etc.), wenn man diese ergooglen kann. Oder wundern Sie sich dann wenigstens nicht, wenn es ganz früh an der Haustür klingelt und es nicht der Postmann ist.

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