"Ick werd wahrscheinlich diese Partei wählen - es ist so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se janz bestimmt nich", schrieb Tucholsky 1931 in "Ein älterer, aber leicht besoffener Herr" über die SPD vor den Reichstagswahlen. Die spöttische Bemerkung Tuchos kommt mir in Erinnerung, wenn Kurt Beck neuerdings wenigstens einmal täglich zum Rundumschlag gegen seine politischen Gegner inner- und außerhalb der Partei ausholt. Mal tobt er gegen die Gewerkschaft der Lokführer und deren angebliche Particular-Interessen, obwohl er zumindest wissen könnte, dass ein erfolgreicher Arbeitskampf der Lokführer Signalwirkung auch auf alle anderen Gewerkschaften haben könnte. Dass er sich strikt gegen den Arbeitskampf einer kleinen Partei wendet, zeigt, dass er genau deren Erfolg nicht haben will. Zeitlich früher stampfte er den Müntefering in die Tonne, weil der sich für die Fortsetzung der Agenda 2010 und sich gegen eine neuerliche Verlängerung der Auszahldauer des ALG I aussprach.
Für diese Attacken gibt es natürlich handfeste Gründe. Das Image der SPD stimmt schon länger nicht mehr, hat Beck erkannt. Seit 1990 bis heute hat die Partei fast 40 Prozent seiner Mitglieder verloren. 567 925 Parteimitglieder sind es noch. Und der Schwund hält an. "Jetzt läuft der Deutschen Sozialdemokratie auch noch der eigene Nachwuchs davon. Am Montag haben auf einen Schlag fünf Juso-Führungskräfte in Niedersachsen ihr SPD-Parteibuch abgegeben. Ihre neue politische Heimat sehen die Ausgetretenen in der Linkspartei.PDS, die am kommenden Wochenende ihre Fusion mit der WASG vollziehen wird. Als Gründe für ihren Schritt führten die Jungpolitiker die »perspektivische Fehlentwicklung« sowie »zunehmende Ideologie- und Utopielosigkeit« der Partei an" schrieb Ralf Wurzbacher am 12. Juni in "telepolis". Ähnlich verhält es sich mit den SPD-Wählern. Die Partei hat Millionen Wähler verloren und bekäme, wären am kommenden Wochenende Wahlen voraussichtlich nicht mehr als rund 24 Prozent der Stimmen.
Darum setzt er sich mit viel medialen Getöse für eine längere Zahldauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose ein. Die Wiederentdeckung der sozialen Verantwortung durch diese Partei? Es ist nicht mehr als ein wahltaktisches Manöver. Die Angst vor der Linkspartei grassiert in der SPD und durch Becks Oberstübchen. So müssen es wohl auch viele Wähler sehen, denn Becks Vorstoß honorieren sie nicht. "Sogar die meisten Sozialdemokraten würden Merkel wählen: SPD-Chef Beck fällt in Sympathieumfragen ab, obwohl seine ALG-Forderung äußerst populär ist", meldet die "netzeitung".
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