1.12.2009

2009: Der Wahnsinn geht weiter

Wieso ist es eigentlich so, dass ich mir seit Jahresbeginn immer wieder nur verwundert die Augen reiben kann? Der Staat, der noch in der ersten Hälfte 2008 für eigentlich nix mehr Geld hatte (abzusehen am Verfall von Schulen und Universitäten, am Zustand der Infrastruktur in unzähligen Kommunen in Deutschland, an der Bildungsmisere etc.) wirft plötzlich mit Milliarden um sich und meistens zielgenau in den Rachen derer, die uns mit den generalstabsmäßig geplanten Zockereien an den Börsen dieser Welt die Finanzkrise eingebrockt haben. Plötzlich soll es jetzt sogar noch ein Hilfspaket II (Konjunkturprogramm) geben für die arme gebeutelte Wirtschaft geben. 50 Milliarden sollen es werden. Zu dieser armen gebeutelten Wirtschaft gehört unter anderem nach allgemeinem Sprachgebrauch auch der Daimlerkonzern. Der schickt gerade an die 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Für dieFamilien dieser Mitarbeiter heißt das, den Gürtel enger zu schnallen. Um rund 20 Prozent wird das Einkommen der Mitarbeiter in der Zeit der Kurzarbeit sinken. Damit Daimler Lohnkosten sparen kann. Der Betriebsratsvorsitzende des Berliner Mercedes-Werkes, dessen Name ich heute auf B1 nicht so richtig mitbekommen habe, hat den Finger auf die wahre Ursache gelegt, als er in einem Rundfunkgespräch sinngemäß sagte, diese Krise sei vor allem eine Überproduktionskrise verbunden mit der Finanzkrise. Ich kann deshalb Daimler-Boß Zetsche nur das berümte New Yorker Motto "junp your fuckers" (am besten vor einen Zug) zurufen. So wie der Multimilliardär Merkle. Der hat die Konsequenzen aus dem Finanzdebakel gezogen, in das er sich gestürzt hatte, als er sich an der Börse bei bösartigen Zockerei mit VW-Aktien verspekuliert hatte. Warum machen das nicht auch Zetsche und Konsorten.
Ach ja, verwundert Augen reiben. Die somalischen Piraten, die den Tanker "Sirius Star" gegen gut drei Millionen Dollar freigegeben haben, waren auch nicht die hellsten. Sie haben sich um Anteile der Beute gestritten. Acht der Piraten setzten sich mit geschätzten 300.000 Dollar ab trotz eines aufziehenden Sturms . Von Fünf der acht fehlt nun jede Spur, zwei leichen wurden an den Strand abgetrieben und mehrere Plastiksäcke mit Dollarbündeln.
Dem irakischen Journalisten Montasser al-Saidi, aka der Schuhwerfer von Bagdad, soll in der kommenden Woche der Prozess gemacht werden. Kurz vor Prozeßbeginn heißt es nun bei "Al Arabiya", der Schuwerfer habe den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki um Verzeihung für seine Tat um Verzeihung gebeten. Er habe Bedauern über seine "häßliche Tat" geäußert. Anstatt auf dem Sockel eines Denkmals zu landen, wird der irakische Fernsehjournalist vermutlich für sieben bis zehn Jahre im Knast landen.
Und sonst? Der baskische Regierungschef Ibarretxe und der Oppositionsführer Patxi Lopez sollten sich vor einem spanischen Gericht für Gespräche der Politiker mit Führern der ETA-nahen verbotenen Separatistenpartei Batasuna im Jahre 2006 verantworten. Nach Ansicht der Anklagebehörde (!) hatten die Politiker bei ihren Treffen mit den Batasuna-Führern im Jahr 2006 nicht gegen die Gesetze verstoßen. Die Richter in Bilbao gaben dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, das Verfahren einzustellen.
Anders in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft wirft den Berlinern Axel H., Florian L. und Oliver R. vor, im Juli 2007 versucht zu haben, in Brandenburg (Havel) drei Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden sowie Mitglieder der »militanten gruppe« (mg) zu sein, die nach dem Strafgesetzbuch-Paragraphen 129 als »kriminelle Vereinigung« eingestuft wird.
Aber der Prozeß hat sich längst in eine Farce verwandelt. Ein Zeugnis dafür war die mittlerweile schon 188. Verhandlungstag. Ich zitiere aus "Junge Welt": "Seinen Namen sagte Zeuge 99100001 dann doch noch. Dafür trat Kriminaloberkommissar Nikolaos Alevisos vom Landeskriminalamt (LKA), der am Donnerstag vor dem Berliner Kammergericht zu Observation und Festnahme von drei Kriegsgegnern aussagen sollte, mit blonder Perücke, falschem Schnurrbart und Brille auf. . . Seit dreieinhalb Monaten bietet sich Prozeßbeteiligten, Presse und Publikum an jedem der mittlerweile 18 Verhandlungstage im Saal 700 des Kriminalgerichtsgebäudes Moabit dasselbe Schauspiel: Die an den Ermittlungen beteiligen Polizisten treten mehr oder weniger kostümiert in den Zeugenstand, berufen sich meist auf Erinnerungs- und Observationslücken oder auf ihre eingeschränkten Aussagegenehmigungen. In ihren wenigen konkreten Aussagen widersprechen sich die Beamten regelmäßig. Die Ereignisse in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 konnten daher auch am gestrigen Verhandlungstag nicht vollständig rekonstruiert werden. So konnte Kriminaloberkommissar Alevisos nach eigener Aussage nur etwa auf 20 Prozent der Strecke zum Tatort, einem Gelände der Firma MAN, jenes Fahrzeug beobachten, in dem er die drei Angeklagten vermutete. Um so detaillierter schilderte der Beamte die Festnahme. Mit »einfacher körperlicher Gewalt« habe er Florian L. vom Beifahrersitz gezogen und ihn auf der Straße »zu Fall gebracht«. Den Vorwurf der massiven Mißhandlung wies der Polizist zurück. Ein vom Vorsitzenden Richter Josef Hoch verlesenes Gutachten läßt allerdings an der Version des 41jährigen Kriminalbeamten zweifeln. Prellungen am Brustkorb, Hämatome im Gesicht und einen verletzten Unterkiefer diagnostizierte demnach ein Arzt vom Städtischen Klinikum Brandenburg. Dabei hatte L. keinen aktiven Widerstand gegen seine Verhaftung geleistet, wie der Ermittler zugeben mußte. Auch über den genauen Ort dieser Festnahme gibt es unterschiedliche Angaben. »Wir sind am 29. Dezember 2008 noch mal nach Brandenburg gefahren und haben festgestellt, daß die tatsächliche Ergreifung der Angeklagten nicht an der in den Gerichtsakten vermerkten Position stattgefunden hat«, gab Alevisos gestern zu Protokoll. Selbst über die Teilnehmer des Ortstermins gehen die Aussagen der Polizisten auseinander. So hatte Alevisos’ Kollege am Mittwoch, dem 17. Verhandlungstag, noch ausgesagt, daß ein weiterer Beamter bei der nachträglichen Inspektion dabei gewesen sei. Eigentlich eine Petitesse. Um so erstaunlicher, daß der LKA-Zeuge Alevisos die Anwesenheit seines Kollegen so vehement bestritt. »Wenn sich die Aussagen der Polizeizeugen schon bei Ereignissen widersprechen, die nur gut eine Woche zurückliegen, dann spricht das Bände über die Behauptungen zu Vorgängen, die bereits vor anderthalb Jahren stattgefunden haben«, konstatierte Rechtsanwalt Sven Lindemann, der einen der Angeklagten vertritt. Am 21. Januar wird die Verhandlung fortgesetzt.
Und was bringen die nächsten zehnTage?

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