3.16.2014

Der Arzt meines Vertrauens

Ich war lange nicht krank, aber jetzt wieder mal. Ich habe einen Leistenbruch.
Mein Arzt, bei dem ich das letze Mal war, ist selber schon in Rente. Das tut mir wirklich leid. Damals hatte ich was mit der Lendenwirbelsäule. „Weißte was“, sagte er zu mir, „Ich verpass dir jetzt vier Spritzen, je zwei links und rechts neben der Wirbelsäule. Das wird dir helfen“. Und es hat geholfen, jahrelang.
Später, vielleicht acht Jahre später, da waren wir aus der Stadt in die Berge gezogen, ging ich - einem Bierkasten voller leerer Flaschen vor dem Bauch - zu meinem Auto. Ich wollte Bier holen fahren.  Auf halben Weg zog es mir die Beine weg. Bloß den Kasten nicht loslassen, schoss es mir millisekundenschnell durch den Kopf. Der Kasten und die Flaschen blieben heil, kaputt gingen zwei Rippen beim Aufschlag mit dem Rücken auf dem abschüssigen und arschglattem Weg.  Zwei Stunden später klingelte es an der Tür. Der Doktor war auf Skiern hochgekommen, um mich zu behandeln. Es gab wieder zwei Spritzen und eine Flasche Kräuterlikör. „Gegen die Langeweile“, grinste er. Meine Frau holte Gläser aus dem Schrank. „Nee, für mich nicht“, meinte der Doktor. „Ich muss noch fahren, auch wenn´s bloß auf Skiern ist“!
Tja, Ideal wäre ja, wenn das mit dem Leistenbruch auch so unproblematisch, also wie im Vorübergehen,  gelöst würde.

Vierzehn Tage später sitze ich im Wartezimmer des Chirurgen, zudem mich mein Hausarzt von heutezutage überwiesen hatte. Und zweieinhalb Stunden später dann in dessen Sprechzimmer. Der Schreibtisch, hinter dem der Chirurg sitzt, ist gut und gerne zweieinhalb Meter breit und mindestens 100 Jahre alt. Der Arzt selber ist schmaler, hat aber in jedem Ohr mehrere goldene Ohrringe und eine spiegelglattrasierte Glatze. Hinter ihm an  der Wand prangt ein Bild, auch mindestes 1,80 breit und 1,20 m hoch mit Schmuckrahmen. Das Bild ist nur aus Schrift, altgriechisch, mit der deutschen Überschrift „Eid des Hippokrates“.
"Nö, übersetzen kann ich das nicht. Ich kann kein - was sagen sie? - Altgriechisch. Aber es soll der Eid des Hippokrates sein".
„Aha, einen Leistenbruch haben Sie“, staunt der Chirurg. „Und wo, zeigen sie mal . . . !. Ich lasse die Hosen halbrunter und lupfe das Hemd.  „Aha, also wir  machen das hier, ambulant sozusagen. Und das geht so: Ich schneide sie nicht auf, sondern mache nur zwei Löcher in den Bauch. Durch das eine schiebe ich eine Linse, durch das andere ein Reperatur-Gewebe genau unter den Bruch-Spalt. Das dauert nicht lang. Aber sie müssen hernach mindestens vier Stunden liegen. Dann können sie wieder nach Hause. Und am Morgen darauf kommen sie wieder hierher zum Verbandwechsel und zur Begutachtung“.
"Also, sie müssen sich keinen Kopp machen, so was läuft völlig unkompliziert . Na ja, ist bei mir auch schon mal schiefgegangen. Aber da war wohl das Gewebe, dass ich eingebaut habe, irgendwie verdreckt. Kann bloß so gewesen sein.“ Dann wälzte er seinen Terminkalender. "So, da habe ich einen Termin für sie. Also, wir sehen uns in drei Wochen, einverstanden?" Ich nicke stumm.

Der Hinweis auf das „verdreckte Gewebe“ ließ mich zweieinhalb Wochen nicht los, vor allem weil er sich nicht über die Konsequenzen  des Vorfalls ausgelassen hatte.
Kurz und knapp: Drei Tage vor dem OP-Termin rief ich die Praxis des Chirurgen an und ließ ihm ausrichten: Es geht nicht, ich habe mir eine Saugrippe eingefangen“.

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