6.19.2013

Lügen und Wahrheiten: Eine Antwort an Premierminister Antonis Samaras

Faktisch in einer Art Nacht- und Nebelaktion hat Griechenlands Premier das öffentlich-rechtliche Fernsehen abschalten lassen. Einen Grund sehen Griechen und ihre Freunde in einem Eintrag der Troika ins Hausaufgabenheft des willigen Samaras. Der öffentliche >Sektor Grichenalnds soll 2013 um weittere 4000 Stellen schrumpfen. Das aber ist nur möglich, wenn die 2700 Beschäftigten des ERT rausschmeißt. Wie dem auch sei, Samaras selbsherrlicher Akt hat Masenproteste ausgelöst und auch sehr individuelle. Beispielsweise den Protest von Giorgos Kogiannis, Journalist und ehemaliger Nachrichten-Direktor des ERT. Für uns Nichtgriechen, aber befreundete Menschen sehr aufschlussreich:

 Herr Premierminister, Ich las mit besonderer Aufmerksamkeit Ihren Artikel in der Zeitung “Kathimerini” und fragte mich: Warum wurden Sie plötzlich dermaßen hart zu Ihren “eigenen Kindern”, denen sie seit einem Jahr “in blanko” die ERT überlassen haben?

Sie fragen, Herr Premierminister, “Kann man Reformen machen, ohne diejenigen zu stören, die es sich bequem gemacht haben?”
Ich nehme an, Sie beziehen sich auf jene, die entweder Sie selbst oder ihre Wegbegleiter und Regierungspartner untergebracht haben. Sie beziehen sich offensichtlich auf die 30 – in ihrer Mehrheit fürs Nichtstun bezahlten – Sonderberater und Bediensteten in Sonderpositionen, die Sie bereits ab dem ersten Tag Ihres Amtsantritts bei der ERT einstellten. Ich nehme an, Sie beziehen sich auf Ihren Trauzeugen Herrn Giorgos Antoniou, dem Sie eine Stelle mit monatlichen Bezügen von 3.500 Euro verschafften. Ich nehme an, Sie beziehen sich ebenfalls auf den Trauzeugen des Direktors Ihrer Pressestelle Herrn Giorgos Mouroutis, den Herrn Menelaos Sevastiadis, der ebenfalls 3.500 Euro im Monat erhält. Ich nehme an, Sie beziehen sich auch auf die Landsmännin ihres für die Presse zuständigen Ministers Herrn Simos Kedikoglou und Kandidatin – mal mit der PASOK [1]-Partei und mal mit der ND – Frau Matina Retsa, die mit 3.000 Euro im Monat entlohnt wird. Die in Rede stehende Dame ist bei der ERT, von der sie bezahlt wird, niemals aufgetaucht und hebt einfach nur das persönliche Telefon des Herrn Kedokoglou ab, wenn man ihn anruft. Ich nehme an, dass Sie sich ebenfalls auf den – zufälligerweise? – aus Messinien stammenden Herrn Stavros Ikonomopoulos, der mit 3.500 Euro pro Monat entlohnt wird. Ich nehme sich an, Sie beziehen sich auf den Herrn Manousos Kampanelis, von Beruf Sportlehrer, – ebenfalls zufälligerweise? – aus Euböa stammend und Parteifunktionär des Herrn Kedikoglou, den Sie als Leiter des Büros des geschäftsführenden Vorstands der ERT mit einem monatlichen Gehalt von 3.500 Euro einsetzten. Offensichtlich wurde jemand benötigt, der das “Auge” und das “Ohr” des Ministers in der Unternehmensleitung ist … .

 Sie fragen, Herr Premierminister, ob “man von den Menschen verlangen kann, zuzuschauen wie die um ihn herum Bollwerke der Intransparenz und der Korruption unbehelligt bleiben?”. Ich denke, Sie beziehen sich auf die Meldungen, welche Kollegen von mir – als “Beschäftigte der ERT” unterzeichnend – bei dem Staatsanwalt und dem Inspektor der öffentlichen Verwaltung bezüglich der Handlungen der von Ihnen bei der ERT eingesetzten Leitung einreichten. Ich denke, Sie beziehen sich auf die 1 Million Euro im Jahr, welche die Sendung “Mesogion 13″ kostete, die inszeniert wurde, damit Frau Anthi Salagkoudi (Kandidatin mit der ND und Tochter eines ehemaligen Ministers Ihrer Partei) ein Podium findet, um sich auszudrücken. Aber auch, damit auch andere Verwandte Ihrer Funktionäre bei der ERT untergebracht werden. Ist es ein Zufall, dass die Rechtsstelle der ERT sich weigerte, den Vertrag mit der Produktionsgesellschaft der in Rede stehenden Sendung zu unterzeichnen, da sie urteilte, dass der Vertrag hinsichtlich der Interessen des öffentlichen Fernsehens “kolonialistisch” war? Autor des Vertrags war der Leiter des Büros des Generaldirektors für Information, Herrn Ämilios Liatsos. Sie sagen, Herr Premierministers, dass “der Staatsanwalt für Korruption eine Untersuchung anordnete” und “bezüglich der sündigen ERT bald die Masken fallen werden”. Offensichtlich beziehen Sie sich beispielsweise auf den Fall der Sendung “EPTA”, in dem der Staatsanwaltschaft bereits wegen Identitätsraubs eines Chefredakteurs ermittelt. Es ist der Fall, in dem Herr Liatsos einen mit ihm befreundeten pensionierten Journalisten einstellte, damit dieser jedoch nicht seine Rente verliert, erscheint in dem Vertrag als Beschäftigter der ERT sein Sohn, der jedoch … beim Militär ist.
Ich nehme an, Sie beziehen sich auf den Fall einer ebenfalls bekannten Eigentümerin einer Produktionsgesellschaft mit zwei Sendungen bei der ERT, die es schaffte, wegen ihrer Beziehungen zu Ihren Mitarbeitern im Megaro Maximou durchzusetzen, dass ihr Sohn als Koordinator der Abteilung eingesetzt wird, die darüber entscheidet, welches Programm das öffentliche Fernsehen spielen wird. Falls Sie es nicht verstanden haben, der Sohn traf Entscheidungen und die Mutter führte sie aus.

Sie sagen, Herr Premierminister, “das griechische Volk habe Recht, wenn es sich frage: Haben Sie den politischen Willen, sich mit den Mächtigen und mit den offensichtlichen Zentren der Verschwendung anzulegen? Oder sind Sie von der selben Sorte?”
Offensichtlich beziehen Sie sich auf die gemischten Produktionen, welche die vorherige Leitung aus Gründen der Transparenz abgeschafft hatte und die unter Ihrer Regierung massenweise wiederkamen. Die Kosten dieser von Ihnen angeführten gemischten – und externen – Produktionen übersteigen 35 Millionen Euro im Jahr. Sie sagen, Herr Premierminister, “die Privilegien bei der ERT waren gut geschützt und die Intransparenz allgemein verbreitet”. Von Intransparenz sprechend nehme ich an, dass Sie sich auf den Parcours beziehen, den – immer unter Ihrer Regierung – den jede Produktionsfirma durchlief, um mit der ERT zusammenzuarbeiten. Zuerst wendete sie sich an das Büro des Direktors des zuständigen Ministers Simos Kedikglou, und wenn sie grünes Licht erhielt, reichte sie im weiteren Verlauf ihr Angebot bei dem öffentlichen Fernsehen ein. Damit das System abgesichert wird, war der Präsident des Ausschusses, der die Produktionen genehmigte, Ihr Trauzeuge Herr Giorgos Antoniou (ebenfalls ein Zufall …?).

Sie sagen, Herr Premierminister: “Wir stehen nicht im Streit mit den Beschäftigten der ERT. Etliche von ihnen werden bei dem neuen Träger wieder eingestellt werden. Aber diesmal mit Leistungskriterien.”
Ich nehme an, Sie beziehen sich auf Kriterien analog zu denen, die Sie für die Einstellung z. B. des Generaldirektors für Information Herrn Ämilios Liatsos oder der Moderatorin Frau Anthi Salagkoudi heranzogen, mit den bekannten objektiven Qualifikationen und der aus dem Ergebnis beurteilten beruflichen Leistung.

Sie bezeichnen die ERT als “gegängelt”, Herr Premierminister.
Offensichtlich beziehen Sie sich auf die Bemühungen der von Ihnen eingestellten Mensche, die ERT in ein absolutes Partei- / Regierungssprachrohr umzuwandeln. Charakteristisches Beispiel sind die unverhohlenen Anweisungen bei 20-Personen-Konferenzen, welche Herr Liatsos telefonisch von dem Leiter Ihrer Pressestelle Herrn Mpouroutis darüber erhielt, wann er Sondernachrichten über Ihre Aktivitäten schalten sollte. Außerdem ein alter Mangel Ihrer Partei. Ich erlebte ihn auch selbst vor den Wahlen, als Herr Mouroutis mich sowohl telefonisch als auch per Internet bedrohte und forderte, dass er die Reihenfolge durchsetzen werde, mit der die Themen der Nachrichtensendungen gespielt werden. Und weil ich mich weigerte und mich widersetzte, bezahlte ich dafür mit meiner Absetzung, kaum nachdem Sie die Regierungsführung antraten.

Sie bezeichnen die ERT als “gering geschätzt”, Herr Premierminister.
Sie beziehen sich offensichtlich auf die Geringschätzung, in welche die von Ihnen eingesetzte Leitung die ERT führte. Sie übernahm die ERT nach ihrem beispiellosen Zuschauerquotenrekord am Abend der Wahlen im Juni, und innerhalb eines Jahres führte sie die ERT mittels der Durchsetzung der Parteiherrschaft und Regierungskontrolle zu Quoten der Größenordnung von 4% (Haupt-Nachrichtensendung) Ich erinnere daran, dass die Zuschauerquote der Hauptnachrichtensendung bei Übernahme der ERT durch unsere Funktionäre 9,5% betrug (Daten der AGB). Am Wahlabend wiederum lag die durchschnittliche Zuschauerquote mit 18,5% eindeutig an erster Stelle im Vergleich mit allen privaten Kanälen.

Und noch etwas, was Sie, Herr Premierminister, – zufällig? – nicht anführten.
Als die von Ihnen eingesetzte Leitung die ERT übernahm, hatte sie die Bilanz für 2011 mit Gewinnen von 57 Millionen Euro abgeschlossen, gegenüber Gewinnen von 34 Millionen Euro im Jahr 2010 und Verlusten von 9 Millionen Euro im Jahr 2009. Sie bekamen Appetit und stahlen ihr 75 Millionen Euro, die Sie dem LAIGE bereitstellten. Trotz allem wird die ERT auch für 2012 mit einem gewinn von 15 Millionen Euro abschließen. Hätten Sie Ihr also nicht die 75 Millionen Euro gestohlen, hätten ihre Gewinne 90 Millionen Euro erreicht. Schließlich sagen Sie, Herr Premierminister, “wir müssen einen modernen und gesunden Träger schaffen”. Schlossen Sie deswegen die ERT mit ihrer Schließung von der Ausschreibung für die Überlassung von Netzen zur Verteilung des digitalen TV-Signals im Land aus? Da es die ERT auf Ihre Entscheidung hin nicht mehr gibt, wird der einzige Bewerber die DIGEA sein, die den Herren Vardiogiannis, Mpompolas, Psycharis, Kyriakou, Alafouzos und Kontominas gehört. Zufälliges zusammentreffen? Ihre Antworten, Herr Premierminister, zu all diesem wären von besonderem Interesse.

Giorgos Kogiannis, Journalist und ehemaliger Nachrichten-Direktor der ERT
(Quelle: TVXS [2])

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