12.05.2009

Kalavrita, Stadt der Witwen


Mahnmal von Distomo. Dort starben bei einer anderen „Vergeltungsaktion“ am 10. Juni 1944 über 280 Zivilisten.

Mit viel Gebrabbel berichten die Mainstream-Medien über die Eröffnung des "vermutlich letzten Kriegsverbrecher-Prozesses" in der Bundesrepublik Deutschland" gegen Iwan Demianjuk. Ich habe lange über die Bedeutung des Halbsatzes "vermutlich letzte Kriegverbrecher-Prozess in der Bundesrepublik Deutschland" nachgedacht. Soll das heißen, wir haben haben die alle zur Rechenschaft gezogen, die auf deutsche Rechnung jemals Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben? Oder soll das nur heißen, wir haben damit - falls Demianjuk überhaupt jemals bestraft werden wird - alles hinter uns, lasst uns endlich in Ruhe!
Falls dieser Halbsatz das ausdrücken soll, dann ist er nur eine weitere Nebelgranate, die verschleiern soll, dass noch eine Menge Kriegsverbrechen im Namen des Tausendjährigen Reiches ungesühnt geblieben sind und offensichtlich auch bleiben sollen (siehe "vermutlich letzter Kriegsverbrecherprozess"). Dass sollte uns klar werden angesichts des Datums 5. Dezembers. Heute vor 66 Jahren begann die deutsche Wehrmacht unter dem Codenamen "Unternehmen Kalavrita" ein Massaker gegen die griechische Widerstandsbewegung und die Zivilbevölkerung, bei dem bis zum 17. Dezember 1300 griechische Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet wurden. Ausgeführt wurde das Massaker von den Angehörigen der 117. Jägerdivision der Wehrmacht.
Nachdem die Truppen in Nordafrika geschlagen worden waren, befürchtete das OKW, daß die Alliierten bald an der Westküste Griechenlands landen könnten. Ein ständig wachsende Bedrohung bei der Abwehr einer Invasion der Alliierten stellte die erstarkende ELAS (griechische Widerstandsarmee) dar, die schnell an militärischen Gewicht gewann. Hitler erließ die Weisung Nr. 48 vom 26. Juli 1943, in der er als Bedingung für eine erfolgreiche Invasionsabwehr die "endgültige Befriedung des Hinterlandes und Vernichtung der Aufständischen" als eine der Hauptziele des später "Unternehmen Kalavrita" bezeichnete. Bereits am 14. Juli 1943 hatte der Oberbefehlshaber Südost, Generaloberst Alexander Löhr, darauf hingewiesen, daß seiner Meinung nach die griechische Bevölkerung in ihrer Mehrheit gegen die Faschisten eingestellt sei. Man müsse, so der für die Zivilbevölkerung verhängnisvolle Schluß, »bei feindlichen Landungsangriffen« mit »weitestgehender Beteiligung aufsässiger Bevölkerungsteile auf Seiten des Feindes rechnen«. Deshalb sollten »schärfste Maßnahmen« gegen die »feindlich eingestellte Bevölkerung« ergriffen werden. Löhr forderte »rücksichtslosen Kampf und Vergeltung«, denn »in den meisten Fällen steht die
Bevölkerung auf Seiten der Banden.« Durch fortwährenden Massenterror sollte die Bevölkerung so eingeschüchtert werden, daß sie im Invasionsfalle nicht wage, sich gegen die Deutschen zu wenden. Der für
Peloponnes zuständige Kommandierende General in Athen, Hellmuth Felmy, befahl der 117. Jg. Div.: »Überführte Teilnehmer an Sabotageakten sind in ihre Heimatbezirke zu verbringen und dort öffentlich zu
hängen. Gegen die Familienangehörigen ist mit rücksichtsloser Strenge vorzugehen. Gegebenenfalls sind sämtliche männlichen Familienmitglieder auszurotten. (…) Ortschaften, die Banden als Zuflucht dienen
können, sind zu zerstören« und auch die übrige »männliche Bevölkerung«, soweit sie der »Teilnahme oder Unterstützung der Bandentätigkeit« bezichtigt wird, sei zu erschießen.
Zur Erfüllung eben dieser Aufgabe wurde die 117. Jägerdivision von Jugoslawien nach Griechenland verlegt. In Jugoslawien hatte die 717. Infantriedivision (die spätere 117. Jägerdivision) bei der Niederschlagung des serbischen Volksaufstandes vom Sommer 191941 ausgiebige Erfahrungen im Morden und Brandschatzen gesammelt. 30.000 serbische Männer, Frauen und Kinder wurden binnen kürzester Zeit massakriert, ein Großteil von den Angehörigen der 717. Infantriedivision.
Am 25. November begann das "Unternehmen Kalavrita". Starke Kampfgruppen sollten konzentrisch gegen Kalavrita, das bei den Deutshen als das Zentrum der von der ELAS befreite Zone galt. Der Auftrag lautete: "Vernichtung der (...) Banden. Durchsuchung der Ortschaften nach Kommunisten, Waffen, Propagandamaterial usw. (...) Ortschaften, aus denen geschossen wurde, sind niederzubrennen, die Männer zu erschießen.« Als letzter Punkt war "Such- und Vergeltungsaktion" für die vermißte Kompanie Schober (die Kompanie war beim Versuch, den Raum Kalavrita aufzuklären von der ELAS gefangen genommen worden) aufgeführt. Ab 5.12. stießen die Kampfgruppen mordend und sengend auf das Zentrum des befreiten Gebietes vor. "Höhepunkt des Vernichtungsfeldzuges war das Massaker in Kalavrita. Am 13. Dezember erschossen Angehörige der 117. Jägerdivision mehr als 500 Männer im Alter zwischen 13 und 77 Jahren. Während der Hinrichtung der Männer waren die Frauen und Kinder in eine Schule eingesperrt. Die Soldaten durchsuchten die Häuser nach Geld, Wertsachen und Lebensmitteln. Alles Vieh wurde mitgenommen. Sie plünderten die Nationalbank. Die Soldaten legten überall Feuer, auch im Schulgebäude, in dem Frauen und Kinder eingesperrt waren. In einem Nachfolgeverfahren zum Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg, wurde 1948 der der 117. Jägerdivision vorgesetzte General Felmy vor allem wegen des "Unternehmens Kalavrita" zu 15 Jahren Haft verurteilt. Felmy wurde schon 1951 aus der Haft entlassen. In der UdSSR gab es 1949 einen Prozeß gegen den Kompaniechef der 117., Hans Pust. Das sowjetisches Gericht verurteilte ihn wegen Mordes, Anwendung schwerer Folter und Plünderung auf dem Peloponnes zu 25 Jahren Arbeitslager. Pust wurde 1956 an die BRD überstellt und noch im gleichen Jahr als Hauptmann in die Bundeswehr übernommen.

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