Der zeitgenössischen Schule der Verhaltensökonomie (“Behavioral Economics”) verdanken wir erhellende Einsichten darin, wie sich Menschen in bestimmen Situationen verhalten und wie, umgekehrt, die Situationen und die Umstände das Verhalten von Menschen modellieren. Der “Spiegel” berichtete unlängst über eine verhaltensökonomische Spielanordnung folgendes: “Psychologen ließen Studententeams einen kleinen Aufsatz verfassen. Jeweils zwei der Teilnehmer schrieben, einer sollte die Leistung der anderen beiden bewerten. Nach 30 Minuten kam der Studienleiter hinein und brachte einen Teller mit Keksen. Vermeintlich zur Stärkung, tatsächlich aber als Teil des Experiments. Die Aufzeichnung zeigte: Die Leistungsbewerter, also quasi die Vorgesetzten in dieser Situation, griffen nicht nur rücksichtslos nach den letzten Keksen, sondern krümelten auch besonders ungeniert herum. 30 Minuten in einer zufällig zugeordneten Führungsrolle hatten ausgereicht, um ihren Wertekompass zu verändern.
In einem anderen Experiment wurde abgetestet, ob Leute bereit sind, zu lügen und zu betrügen, um 50 Dollar zu gewinnen. Man hat diese Spielanordnung mit Leuten überprüft, die 100.000 Dollar auf ihrem Bankkonto hatten, und mit Leuten, die nur 80 Dollar auf ihrem Bankkonto hatten. Man hätte davon ausgehen können, dass die zusätzlichen 50 Dollar für die Leute aus der 100.000-Dollar-Klasse belanglos, für die aus der 80-Dollar-Klasse dagegen viel wichtiger wären. Tatsächlich aber waren die aus der 100.000-Dollar-Liga eher bereit, moralische Grenzen zu überschreiten, um an den zusätzlichen Fuffy zu kommen. Um genauer zu sein: Sie haben moralische Grenzen als solche gar nicht erkannt.
Autor: Robert Misik - www.misik.at
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