1.24.2009

Kampfauftrag für bayrische Polizei


Zeitungszeugen Nummer 2 ist auf dem Markt. Das Thema ist der Reichstagsbrand. Mit dem "Vorwärts" (SPD), der "Vossischen Zeitung" (Liberale) und dem "Völkischen Beobachter" liegen dieses Mal drei Zeitungen vom 1. März 1933 dem Projekt bei und reflektieren die Reaktionen in den politischen Lagern auf den Reichstagsbrand. Ergänzt wird das Material mit Kommentaren diverser Wissenschaftler zu diesen medialen Reflexionen. Bei der Durchsicht der Zeitungen kommt die gleiche Frage auf, wie schon bei Nummer 1. An wen soll sich das Projekt überhaupt wenden? An Jüngere, an Ältere, an Historiker speziell oder ganz allgemein Geschichtsinteressierte schlechthin? Jüngere werden angesichts unseres Bildungssystems ihre Schwierigkeiten haben die "Vorwärts"-Texte und erst recht die des "Völkischen" zu verstehen und erst recht einzuordnen. Die wissenschaftlichen Kommentare, die dabei helfen sollen, sind enttäuschend platt. So stammt der wissenschaftliche Begleitartikel zum Reichstagsbrand aus der Feder des Historikers Professor Dr. Hans Mommsen, dem entschiedensten Vertreter der Einzeltätertheorie. Und so beginnt dieser wissenschaftliche Begleittext denn auch: "Der Brand war von dem holländischen Rätekommunisten Marinus van der Lubbe gelegt worden. Er wollte damit gegen die Unterdrückung der Arbeiterschaft unter der eben ins Amt gekommenen Reichsregierung Adolf Hitler protestieren . . . ". Als hätte es keine weiteren Erkenntnisgewinne gegeben, bleibt Mommsen bei seiner 1962er Einzeltätertheorie. Das beschädigt des Projekt "Zeitungszeugen", macht es angreifbar. Für den Leser ist dieser Teil 2 eher enttäuschend.
Allerdings ist es nicht so enttäuschend, dass es Reaktionen wie die der bayrischen Landesregierung hätte provozieren können. Der stinkt das Projekt "Zeitungszeugen" nämlich gewaltig. Aus "Urheberrechtsgründen" hat sie dem Herausgeber, dem englischen Albertas-Verlag, eine Unterlassungsverfügung zustellen lassen. Der Verlag hat sich davon nicht beeindrucken lassen und brachte den besprochenen Teil 2 heraus, was neueres und härscheres Vorgehen gegen das Projekt bescherte:
"Nach der pflichteifrigen Aufnahme von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen beider Vorwürfe (Urheberrechtsverletzung und nun zusätzlich "Verbreitung verfassungswidriger Symbole) ordnete ein Richter am Amtsgericht München die Beschlagnahme des in der zweiten Zeitungszeugen-Nummer enthaltenen Völkischen Beobachters vom 1. März 1933 an. Die Schlagzeile auf dessen Titelseite lautet: "Das Maß ist voll! Jetzt wird rücksichtslos durchgegriffen." Am Freitagnachmittag verlautbarte ein Sprecher des Finanzministeriums gegenüber dem [extern] Spiegel, dass bayerische Polizeikräfte bereits dabei wären, Buchhandlungen und Kioske zu säubern. Eine Anfrage, inwieweit auch der Mantel und die ebenfalls enthaltene liberale Vossische Zeitung sowie der sozialdemokratische Vorwärts sichergestellt und vernichtet werden, blieb bisher unbeantwortet", heißt es in einem Beitrag von Peter Mühlbauer bei telepolis.
Und so verwandelt sich eine Handlungsmaxime der Nazis in eine Handlungsmaxime des Freistaates. Wovor fürchten sich die Bayern? Das so spät noch etwas hochkommt über gewisse Mitwirkende und Mitwirkungen im "Mutterland der "Bewegung"?

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