Die deutschen Heuchler gehn um. Insbesondere seit Ostern der 17jährige Marco W. aus Uelzen von der türkischen Polizei festgenommen und in U-Haft festgesetzt wurde wegen des Verdachts des sexuellen Mißbrauchs einer 13jährigen (minderjährigen) Engländerin. Die Mutter der 13jährigen hatte Anzeige erstattet. Nun "bunkert" Mario W. in einer Zelle mit 30 anderen Untersuchungshäftlingen, also unter den "normalen" türkischen Bedingungen. Das ruft in Deutschland die Politik und die Mainstream-Medien auf den Plan und damit die üblichen Heuchler.
Obwohl es in diesem Fall - außer im Zusammenhang mit den bescheidenen Haftbedingungen - keinerlei Anlaß gibt, der Türkei rechtsstaatliche Mißstände vorzuwerfen, lassen diverse deutsche Politiker die unverhoffte Chance nicht entgehen, der Türkei in diesem Zusammenhang wieder einmal zu zeigen, was eine deutsche Harke ist. Die "Märkische Allgemeine" vom 28. Juni 2007 hat drei Politiker-Meinungen publik gemacht: "Heute noch wolle er sich an den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan wenden, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Wulff gestern, damit dieser sich der Sache annehme. Der Fall mache deutlich, wie stark die kulturellen Unterschiede zwischen beiden Ländern seien. Es sollte hoffentlich kein größerer Konflikt zwischen der Türkei und Deutschland werden." Ist der Umkehrschluss aus dem Wulff´schen Ausführungen nicht der, das wenn Erdogan sich nicht der Sache annimmt, die Unabhängigkeit der Gerichte auf die eine oder andere Weise außer Kraft setzt, es doch zu einem größeren Konflikt kommen könnte?
Die "MA" weiter: "Einen solchen (Konflikt) möchte Volker Kauder gar nicht mehr ausschließen. Angesichts ausstehender Justizreformen in der Türkei warnte der Unionsfraktionschef vor den Folgen für die EU-Beitrittsverhandlungen des Landes. `Ich kann der türkischen Regierung nur zurufen: Wenn ihr den jungen Mann nicht freilasst, dann ist der Weg der Türkei nach Europa noch meilenweit´". Und die "MA" zitiert auch den Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen Volker Beck mit den Worten: "In einem Rechtsstaat müsse ein solch absurdes Verfahren mit einem Freispruch enden". Wie lautet wohl bei diesem Zitat der Umkehrschluss?
An Überheblichkeit sind deutsche Politiker kaum zu überbieten. Aber auch nicht an Heuchelei. Dazu zurück zum Kern der Geschichte: Marco W. gibt zu, mit der 13jährigen Britin, also einer Minderjährigen einvernehmlichem Sex gehabt zu haben. Nach türkischem Recht gilt Marcos Tat als sexueller Mißbrauch und ist strafbewährt. Anders in Deutschland. Nach deutschem Recht wäre die Tat nicht strafbar gewesen. Mit dem deutschen Kadi hätte W. zu tun bekommen, wenn er zur Tatzeit schon 18 Jahre alt gewesen wäre und bei der Tat eine Zwangslage der 13jährigen ausgenutzt oder Geld gezahlt hätte.
Aber: Die gleichen deutschen Politiker, die sich im Zusammenhang mit dem "türkischen Fall" so aufregen, sind nahezu gleichzeitig mit einem Gesetzentwurf beschäftigt, bei dem es um den besseren Schutz von Kindern vor Kinderpornografie und sexuellen Ausbeutung geht. Ein pikanter Vorschlag in diesem Gesetz hat zum Inhalt, dass nicht nur der sexuelle Mißbrauch Minderjähriger strafbewährt sein soll, sondern auch der Mißbrauch 16- und 17jähriger Jugendlicher. Und zwar auch dann, wenn die Täter (wie Marco W.) selber noch Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sind. Welche Heuchelei der deutschen Politik, sich über die Rechtsnormen in der Türkei zu beschweren.
Apropos, am 8. August geht die Gerichtsverhandlung gegen Marco W. weiter. Wollen wir auf die nächsten Heuchler wetten? Wetten Sie lieber nicht. Denn dann ist in Deutschland parlamentarische Sommerpause und dann kommen zu den üblichen Heuchlern auch noch die politischen Hinterbänkler auf die dümmsten Gedanken.
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