5.01.2007

Gott, wirf Hirn ab!


"Gott, wirf Hirn ab auf deutsche Journalisten, denn sie können nur noch abschreiben!", lautete leicht verkürzt kürzlich ein Hilferuf Burkhard Schroeders. Und ich bitte Gott, auf keinen Fall die Redaktion der "Neue Osnabrücker Zeitung" zu verfehlen. Die brachte am 29. April auf ihrer "Boulevard"-Seite einen Beitrag zum so genannten Irak-Einsatz von Englands Thronfolger-Ersatz Prinz Harry. Runtergerubelt auf den eigentlichen Gehalt der - wie nenn ich es bloß? - "geschriebenen Schmierenkomödie", soll Prinz Harry (22) irgendwann in den nächsten Tagen in den Irak abkommandiert werden. Harry sei Leutnant bei den "Blues & Royals" und damit Kommandeur einer zwölf Mann starken Aufklärungsgruppe.
Was Harry im Irak soll, das wissen weder die Götter noch die NOZ. Es könnte mit hoher Wahscheinlichkeit ein Schreibtischjob werden, mutmaßt der anonym gebliebene Abschreiber. Und damit das nicht zu gefährlich werde, sei bereits eine Spezialeinheit der britischen Armee unterwegs, um Harry im Irak zu beschützen. (Noch mehr Hirn, Gott).
Das schreit nach ein wenig höhere Mathematik.
Wie groß muss eine Spezialeinheit sein, die den Prinzen vor allen Eventualitäten abschirmen soll? Die Antwort lautet: Eine taktisch perfekte Grösse für eine solche Aufgabe sind rund 30 "Spezis". Mit anderen Worten: Man riskiert das Leben von mindestens 30 anderen Soldaten, damit Harry zu seinem ersten "Fronteinsatz hinterm Schreibtisch" kommt. Betriebe man den gleichen Aufwand für jeden der 7200 im Irak umgängigen britischen Soldaten, müsste das Möchtegern-Imperium seine Truppen auf 216 000 Mann aufstocken. Aber um die Soldaten geht es ja nicht, sondern um das Ego eines verweichlichten und verwöhnten Sprosses der britischen Dynastie und natürlich um ein wenig Kriegspropaganda. Und, na ja, so richtig heiß wirds für Harry ja nicht werden. Für den Jungen gibt es, kaum bei den bösen Irakern angekommen, gleich wieder Sonderurlaub. Er muss dringend an den Vorbereitung der Gedenkparty für seine vor zehn Jahren verunglückten Mutter Diana dabei sein.
Der Prinz hat, so lässt uns die NOZ weiter wissen, schon mal eine Abschiedsparty geschmissen und dort reichlich weinerliche Töne angeschlagen (vermutlich war er wieder mal besoffen). Wörtlich: "Ich werde meine Familie vermissen», sagte der laut Augenzeugen sichtlich bewegte Enkel der Königin Elizabeth II. in der Nacht zum Samstag in seinem Lieblingsclub «Mahiki». Seine blonde Freundin Chelsy Davy (21) stand ihm vor rund 20 geladenen Gästen zur Seite". Sofort drängte sich mir die Frage auf, wie das aussieht, wenn Chelsy Harry beisteht? Und, ob Chelsy auch mit in den Irak geht? Die Frage lässt der Boulevard-Redakteur offen. Vermutlich gab es dazu nichts abzuschreiben.
Weiter heisst es im gleichen Absatz: "Harrys Bruder Prinz William (24) kam zu spät und verpasste die Rede." Klügerer Junge, klügerer Bruder? Prinz Harry ließ - so die NOZ - die Party-Gäste außerdem noch wissen, dass er sich unglaublich freue, seinem Land im Irak dienen zu dürfen (Rammtatamm, rammtatamm, rammtatamm). Und aus der Bildunterschrift der Möchtegern-Zeitung erfahren wir zuguterletzt: "Prinz Harry hat keine Angst davor zu sterben!". Kennen wir das nicht, diese "Blumen am Gewehr", den Heldentod schon fest gebont?
Gäbe es meine resolute Großmutter noch, sie nähme sich den Osnabrücker Abschreiber und den Adelssproß zur Brust oder besser auf die Knie. Für eine gehörige Tracht Popoklatsche.
Weil uns das Vergnügen - wegen ihres Ablebens bereits vor einigen Jahren - nicht vergönnt ist, bleibt eben doch nur der Hilferuf: Wirf viel Hirn ab, Gott!

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